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Behavioral Pricing

Der englische Ausdruck Behavioral Pricing (dt: verhaltensbezogene Preisgestaltung) bezeichnet im Marketing eine Strategie zur Preisbildung, die von Unternehmen für eine Steigerung der Kaufbereitschaft ihrer (potenziellen) Kunden eingesetzt wird.

Allgemeine Informationen zum Behavioral Pricing

Beim Behavioral Pricing wird angenommen, dass eine Kaufentscheidung von emotionalen, psychologischen und kognitiven Faktoren beeinflusst wird. Beispiele für diese Faktoren sind Erinnerungen, Emotionen, Zufriedenheit und Wahrnehmung der Kunden. Somit ist nicht der Preis selbst ausschlaggebend, sondern seine subjektive Bewertung durch den Kunden. Dieser Ansatz steht im Kontrast zur klassischen Preistheorie, die das Menschenbild eines ausschließlich rational handelnden Homo Oeconomicus beinhaltet. Demnach basiert die Entscheidung für einen Produktkauf ausschließlich auf rationalen Faktoren. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Preisbildung für Produkte auf Basis des Verhaltens von Kunden. Konkrete Daten zum Verhalten lassen sich beispielsweise anhand von Browsersuchverläufen, demografischen Daten, Klickpfaden beim Onlineshopping sowie Profilen in sozialen Netzwerken ermitteln.

Im Marketing wird dem Preis eine zentrale Rolle zugeschrieben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Preispolitik direkt auf den Deckungsbeitrag wirkt und gleichzeitig auf die Absatzmenge. Demnach führen Preiserhöhungen häufig zu einer Gewinnreduzierung und Preissenkungen zu einer Gewinnerhöhung. Als weiterer Grund für die zentrale Bedeutung des Preises ist die enorme Wirkungsgeschwindigkeit von preispolitischen Maßnahmen. Die zuvor erwähnten Wirkungen ergeben sich aus der Tatsache, dass der Preis aus Kundensicht ein ausschlaggebender Faktor bei Kaufentscheidungen ist. Wird der Preis als zu hoch empfunden, entscheidet sich der Kunde höchstwahrscheinlich gegen einen Kauf. Wird er hingegen als günstig oder angemessen empfunden, wird das jeweilige Produkt mit großer Wahrscheinlichkeit erworben.

Ablauf von Behavioral Pricing

Behavioral Pricing lässt sich in die nachfolgenden vier Schritte einteilen:

  • Produktinformationsaufnahme: Die objektive Ausgangslage setzt sich aus faktischen Informationen zusammen, zu denen eine transparente Produktbeschreibung, ein Angebot sowie eventuell eine individuelle Beratung gehören.
  • Preisinformationsbeurteilung: Die Beurteilung erfolgt auf Basis von Kundeneinstellungen und -wahrnehmungen sowie seiner Interpretation der faktischen Informationen. In diesem Schritt ergeben sich möglicherweise weitere Informationen, die sich auf seine Kaufentscheidung auswirken. Beispielsweise seine finanzielle Ausgangslage.
  • Preisinformationsreaktion: Die Reaktion auf eine Preisinformation kann ein direkter Kauf, ein Nicht-Kauf oder ein Kaufaufschub sein. Bei Letzterem beginnt der Ablauf von Behavioral Pricing erneut und an die ersten Preisinformationen wird sich möglicherweise erinnert.

Behavioral Pricing-Forschung

Die Behavioral Pricing-Forschung befasst sich mit der Art und Weise der Wahrnehmung und Verarbeitung von Preisen sowie der Reaktion von Kunden auf Preisangebote. Außerdem untersucht sie, wie Preisinformationen in Urteil- und Entscheidungsprozessen genutzt werden. Dabei wird primär ein deskriptiver Forschungsansatz verfolgt, bei dem der Fokus insbesondere auf den kognitiven Prozessen liegt. Diese Forschungsrichtung gilt als Ergänzung der zuvor bereits erwähnten klassischen Preistheorie.

Forschung zur Preisinformationsspeicherung

Die Forschung zur Preisinformationsspeicherung befasst sich mit der Frage, ob Kunden sich an bezahlte Produktpreise erinnern bzw. diese kennen. Die Fähigkeit, sich an diese zu erinnern, wird auch als Preiswissen bezeichnet und kann explizit oder implizit sein. Das explizite Preiswissen bezeichnet Preisinformationen, die vom Kunden bewusst erinnert werden. Das implizite Preiswissen bezieht sich auf unbewusst gespeicherte Preisinformationen, auf die in Entscheidungs- und Beurteilungssituationen zurückgegriffen werden. Beispielsweise kann ein Kunde die Attraktivität des Preises besser beurteilen, ohne dass dabei bewusst ein bestimmter bereits bezahlter Preis erinnert wird.

Forschung zur Verarbeitung von numerischen Informationen

Die Forschung zur Verarbeitung von numerischen Informationen befasst sich mit der Art und Weise der Repräsentation von Zahlen und arithmetischen Informationen im Gedächtnis sowie mit deren Verwendung in kognitiven arithmetischen Aufgaben. Nach dem sogenannten Triple-Code-Modell werden Zahlen in den nachfolgenden drei Formen bzw. Codes mental repräsentiert: auditorisch verbaler Code, visuell arabischer Code und analoge-Größen Code. Auditorisch verbale Codes beinhalten ausgesprochene oder lautlos gelesene Preise. Arabische Codes beziehen sich auf optische Symbole, die gespeichert werden. Analoge-Größen Codes wiederum auf ungefähre Preise, die abgespeichert werden, wie z.B. ein Produkt hat zwischen 10 und 20 € gekostet. Das Modell geht davon aus, dass die Entstehung des analoge-Größen-Codes auf einen automatisch ablaufenden Prozess zurückzuführen ist, der auf dem visuell arabischen Code und dem auditorisch verbalen Code basiert. Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Kunden sich häufig nicht an die Preise erinnern bzw. die Genauigkeit des Preiswissens relativ gering ist. Der Prozentsatz der befragten Kunden, die sich an den genauen Preis erinnern konnten, variiert zwischen 2,1% und 61,3%. Weitere Studienergebnisse besagen, dass das Preiswissen bei einer steigenden Produktanzahl bzw. steigenden Preisspannweite in der Kategorie sinkt. Allerdings kann die Intensität, mit der eine Produktkategorie beworben wird, einen positiven Einfluss auf das Preiswissen des Kunden haben. In Bezug auf die psychographischen Merkmale (Preisvergleichs- bzw. -suchverhalten) wurde festgestellt, dass das Preiswissen durch das Preissuchverhalten beeinflusst wird.

Forschung zu unbewussten Prozessen in der Preisinformationsverarbeitung

Die bisherige Behavioral-Pricing-Forschung ging davon aus, dass die Preisinformationsverarbeitung bewusst abläuft.  Die Kognitionspsychologie besagt jedoch, dass die Verarbeitung überwiegend unbewusst stattfindet. So haben sich Experten im Rahmen experimenteller Untersuchungen damit beschäftigt, inwiefern sich interne Vergleichsmaßstäbe (z.B. Referenzpreise) basierend auf unbewussten Einflüssen herausbilden. Dabei kam heraus, dass Teilnehmer, die einen hohen Produktpreis unterschwellig präsentiert bekommen, den Preis des Produkts bei einer nachfolgenden unabhängigen Untersuchung als günstiger beurteilen.

Studien zufolge beeinflussen neben Kognitionen auch Emotionen maßgeblich das Kundenverhalten im Hinblick auf seine Reaktion auf Preise. Demnach kann Freude für eine positive Beeinflussung der Beziehung von Preis und wahrgenommener Qualität sorgen. Im umgekehrten Fall können negative Gefühle eine ungünstige Einflussnahme bewirken, die zum Nichtkauf eines Produktes führen.

Forschungen zum Ausgabe- und Konsumverhalten

Forschungen auf dem Gebiet des Ausgabe- und Konsumverhaltens von Kunden zufolge ist die Zahlungsbereitschaft bei Kreditkartenzahlung höher als bei Barzahlung. Weiter wurde festgestellt, dass nicht nur die Kreditrahmenhöhe das Ausgabeverhalten begünstigt, sondern auch die Teilung des Gesamtpreises in zwei Einzelpreise (z.B. Produktpreis und Versandkosten) die Nachfrage steigern kann. Eine weitere Studie ergab, dass bei Kunden, die für verschiedene Ausgabekategorien eine Budgetierung durchführen, ein Unter- bzw. Überkonsum der Güter in jenen Kategorien erfolgen kann. Darüber hinaus liegen Ergebnisse vor, nach denen bereits erfolgte Barzahlungen das zukünftige Ausgabeverhalten in derselben Kategorie negativ beeinflussen. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass Barzahlungen deutlich “schmerzvoller” empfunden werden als Kreditkartenzahlungen. Mitunter kommt es bei letzteren tendenziell zu einem Überkonsum in einer Kategorie (“Overspending”).

Forschungen auf dem Gebiet des Ausgabeverhaltens bei Verwendung fremder bzw. neuer Währungen haben ergeben, dass die Ausgabehöhe für ein Produkt in einer fremden Währung in Abhängigkeit vom Wechselkurs verzerrt wahrgenommen wird. Des Weiteren ergab eine weitere Studie, dass die Preisaufmerksamkeit, die Marktanteilgrößen gewisser Produkte und die Lage von Preisschwellen durch die Form der Preisdarstellung (DM vs. Euro vs. DM+ Euro) beeinflusst werden.

Bedeutung der Preisgestaltung für Suchmaschinenoptimierung

Im Behavioral Pricing werden sämtliche, ermittelbare Daten eingesetzt. Dies kann beispielsweise anhand eines Newsletter-Abonnements erfolgen, der den Kontakt des Kunden zum Unternehmen durch regelmäßigen Mail-Versand aufrechterhält. Diese Vorgehensweise kann zu höheren Margen (z.B. im E-Commerce) und einer erweiterten Kundenbasis führen. Demnach besteht das Ziel nicht ausschließlich darin, das größtmögliche aus dem Preis herauszuholen. Aufgrund der Tatsache, dass die verhaltensbezogene Preisgestaltung ein relativ neues Thema ist, gibt es keine gesicherten Informationen über ihre Wirkung auf den Markt und die Kunden. Eine in Betracht kommende Folge ist jedoch, dass Kunden bei einer Preiserhöhung ihre Käufe bei der Konkurrenz tätigen. Für den Konkurrenten bedeutet dies möglicherweise einen Wettbewerbsvorteil, wenn er bei seiner Preisgestaltung die Preise von Mitbewerbern beobachtet. Die Produktkaufentscheidung eines Kunden wird neben verhaltensbezogenen Faktoren jedoch auch von rationalen Aspekten beeinflusst. Demnach kann dieser den geringsten Preis wählen oder seine Entscheidung auf Basis des Preisimages fällen. Generell lässt sich daher festhalten, dass die gesammelten Daten nicht ausschließlich für eine optimale Preisgestaltung eingesetzt werden, sondern auch eine optimale Preispolitik charakterisieren können.

Funktionsweise von Behavioral Pricing bei Online-Käufen

Unternehmen sammeln umsatzrelevante Informationen von ihren Kunden über die eigene Website oder den Onlineshop. Auch der Browsersuchverlauf, die demografischen Kundendaten und sozialen Netzwerke geben Auskunft über Informationen, die in den Prozess der verhaltensbezogenen Preisgestaltung integriert werden. Jede im Internet gesammelte Information zum Nutzerverhalten  bildet die Basis für die Preisbildung, in der emotionale, behavioristische und psychologische Faktoren berücksichtigt werden.

Beispiel für die Funktionsweise von Behavioral Pricing

Ein Interessent sucht in einem Onlineshop nach einer Jacke. Er schaut sich die verschiedenen Kategorien für Jacken an, legt jedoch noch keinen Artikel in den Warenkorb. Auf Seiten des Unternehmens geschieht Folgendes: Unter Verwendung von Cookies auf der Website wird das individuelle Nutzerverhalten für den Zweck der Preisgestaltung gespeichert. Beim nächsten Seitenaufruf wird der Interessent wiedererkannt und anhand dessen geschlussfolgert, dass weiterhin Interesse an der Jacke besteht. Das Unternehmen hat nun die Möglichkeit, die Produktseite und den Kaufpreis zu verändern. Ändern sich die Preise lediglich geringfügig, kann sich dies auf das Kaufverhalten des Nutzers auswirken: Bei einer minimalen Preiserhöhung nehmen viele Kunden an, dass der Preis weiterhin steigen könnte und kaufen daher das jeweilige Produkt. Der ausschlaggebende Faktor für einen Kaufvorgang ist jedoch nicht die Preiserhöhung an sich, sondern geht auf verschiedene Faktoren zurück, die beispielsweise Emotionen und die Psyche betreffen.

Quellen

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